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Sommer in Kassel mit Kindern

11 Tipps mit und ohne documenta

Nordhessen

Alle fünf Jahre wird meine Heimatstadt Kassel, sonst eher beschaulich, plötzlich voll und international und ein bisschen kultureller Nabel der Welt. Letztes Jahr war es endlich wieder so weit: von Juni bis September öffnete die internationale Kunstausstellung documenta 14 ihre Pforten.

Auch unsere Jungs hatten viel Spaß auf ihrer ersten bewusst erlebten documenta, vor allem, weil viele Kunstwerke draußen, z.B. in der Aue ausgestellt und frei zugänglich sind. In ganz Kassel finden sich Erinnerungen früherer Ausstellungen, wie z.B. den "Man walking to the sky" vorm alten Hauptbahnhof, die Spitzhacke in der Aue oder die über die ganze Stadt verteilten 7.000 Beuys Eichen.

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Ein Highlight der documenta 14: Das Parthenon of Books von Marta Minujin auf dem Friedrichsplatz
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Vorhang aus Rentierschädeln von Máret Ánne Sara in der alten Hauptpost
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Für die docementa Kunst lassen sich auch unsere Jungs begeistern
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Blick in die Aue durch den Rahmenbau der documenta 6

Die Kinder lieben Kassel. Und das sage ich nicht (nur) aus nordhessischem Lokalpatriotismus. Beim letzten Besuch in Kassel fragte mich Milan z.B. sogleich nach unserer Ankunft, ob er denn mal das Haus von Oma und Opa erben und hier wohnen könne (schluck!).

Das Tolle an Kassel: dort gibt es Dinge, die nicht auf retro getrimmt sind, sondern die wirklich retro SIND! Die sich seit meiner Kindheit in den 80er Jahren kein Stück verändert haben. Wer Kassel also schon vor Beginn der nächsten documenta ab Juni 2022 entdecken möchte, für den haben wir hier ein paar Tipps zusammengestellt. Unsere erste Sommerferienwoche haben die Jungs und ich dieses Jahr übrigens in Kassel verbracht. Was haben wir gemacht?

1. Zum Beispiel der Rammelsberger Zoo

Noch genauso verwunschen, urig, ein bisschen stinkig und aufregend wie immer. Selbst die Tiere sind dieselben geblieben. Sie scheinen sich hier auch wirklich wohl zu fühlen. Sie werden ja auch seit 1974 ordentlich von den Besuchern gefüttert, mit allem, was deren Gärten so hergeben. Der Besuch in dem kleinen Privatzoo ist übrigens sympathischerweise kostenlos (man freut sich über eine kleine Spende). Und man bekommt einiges geboten: Ziegen, die sich gerne füttern lassen, Emus, Nandus, Schlangen, Äffchen, ein Luchs, Mäuse, Ratten, Meerschweinchen (deren Junge man auch gleich hier erstehen kann), Hasen, allerlei Vögel und Hühner, Enten, Esel, Eichhörnchen,... Schon allein das Gelände ist unbedingt einen Besuch wert. Futter für die Tiere darf mitgebracht werden, es gibt aber auch welches vor Ort, das man kostenlos verfüttern darf.

Im kleinen Zoocafé gibt es anschließend ein Eis (drinnen oder draußen), oder eine frische Waffel (für einen Euro!) und Kaffee.

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Unbedingt besuchen: den Rammelsberger Zoo!
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Wirklich urig hier
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Das Ziegengehege
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Ziegen und Zicklein, die man füttern darf

Wer genug hat von diesem privaten Minizoo (mehr als eine Stunde braucht man auch im Schneckentempo nicht für den Besuch einzuplanen), kann den Waldweg ein Stück weitergehen, Esel und Ponys streicheln, rechts abbiegen und über die Felder mit herrlichem Blick auf Kassels Wahrzeichen, den Herkules, zurücklaufen.

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Diese Ponys und der Esel ließen sich auch streicheln
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Spaziergang mit Herkulesblick (Wer findet ihn?)

2. Ausflug nach Ziegenhagen

Worauf ich mich das ganze Jahr freue, ist ein Ausflugsziel, das außerhalb Kassels liegt: Wunderschön gelegen auf einer Anhöhe an der Werra, ganz kurz hinter der Grenze nach Niedersachsen beim Dörfchen Hedemünden: Ziegenhagen! Hier sitzen tatsächlich noch die selben freundlichen Herrschaften an der Kasse wie 1982, an den Fahrgeräten (kann man die wirklich so nennen?) hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert, das Spiegelkabinett, die Geisterbahn, der Feuerwehrwagen – alles im Originalzustand von 1968, als der Park eröffnet wurde! Die Pommesbude, einmalig! Und überall Ziegen, die sich streicheln lassen. Alles in allem also nicht nur für Kinder ein wahres Paradies.

Die Ziegen haben wir dieses Jahr allerdings vermisst und die Oldtimerscheune wurde aufgelöst. Dafür funktionierten wieder mehr Karussells als beim letzten Besuch vor einem Jahr. Absolute Highlights: der Mondroller, eine sich im Kreis um die eigene Achse über Kopf drehende Kugel, die man selbst über Vorwärts- und Rückwärtsknopf steuert, die Sternschnuppe, eine Art Schiffsschaukel, die man ebenfalls selbst mechanisch bedient, das Boot, das ins Wasser platscht, und nicht zuletzt dieses Gefährt:

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Hiermit kann man nicht fahren, ohne laut zu schreien!
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Hier ist die Zeit stehengeblieben
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Sich mit Softbällen zu beschießen macht auch viel Spaß
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Ein paar Oldtimer Schätzchen sind noch geblieben

3. Besuch im Naturkundemuseum Ottoneum

Naturkundemuseum ist eigentlich zu eng gefasst. Denn im Ottoneum gibt es nicht nur eine sehr interessante und kinderfreundliche naturkundliche Dauerausstellung, sondern auch sehr spannende Sonderausstellungen. Hier haben wir schon Urmenschen, Dinosaurier, Axolotls, Mammuts, einen ausgestopften Bären, der das Maul gefährlich weit aufreißt und den Kindern bis heute nicht ganz geheuer ist bestaunt, Felle den passenden Tieren zugeordnet und Vogelzwitschern erraten. Hier haben wir auch einiges über Mythen von Bigfoot bis Nessy von Loch Ness erfahren, documenta Ausstellungsräume besucht, uns in interaktive Bilder hineinziehen lassen und dieses Jahr die Ausstellung zum Thema Insektensterben besucht. Ein Ausflug ins Naturkundemuseum ist bei jedem Besuch in Kassel ein unbedingtes Muss für die Kinder und lässt sich gut mit einem Innenstadtbummel und/oder Auespaziergang verbinden.

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Schon allein das Gebäude ist einen Besuch wert
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Unsere jungen Insektenforscher
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Welche Schmetterlinge sind schon ausgestorben und warum?
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Dino Skelette
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Wie haben unsere Vorfahren gelebt?

4. Freibad Wilhelmshöhe

Im Sommer auch immer einen Besuch wert: das Freibad Wilhelmshöhe, das soweit ich denken kann, jedes Jahr endgültig geschlossen bleiben sollte (und vor zwei Jahren tatsächlich geschlossen wurde – zum Glück nur für ein Jahr für aufwändige Renovierungsarbeiten). Ich hoffe, dass eine Schließung des 1935 erbauten Bades nie, nie, nie passieren wird, denn hier habe ich meine halbe Kindheit verbracht, damals, als der Sommer Anfang Mail anfing und Anfang September zu Ende war und wir dazwischen jeden Tag dort verbrachten bzw. die 14 Tage, die wir aufgrund eines Sommerurlaubs mit der Familie nicht dort verbringen konnten, schwer darunter litten und uns fragten, was wohl die anderen Kinder gerade im Freibad Wilhelmshöhe machen. Wo gibt es noch ein 50 Meter Schwimmbecken und drei riesige Liegewiesen über drei Ebenen? Mit Rutsche, kleinem Springerbecker und Kleinkindbecken, also für alle Zielgruppen was dabei. Wenn meine Eltern mich warnen, heute doch besser nicht mit den Jungs ins Freibad Wilhemshöhe zu gehen, da es „so voll“ dort sei, kann ich nur schmunzeln. Wer schon mal im Stadionbad in Köln gewesen ist, weiß, wovon ich spreche. Und dort zahlt man das Doppelte an Eintritt! Gerade ist das Freibad Wilhelmshöhe übrigens als beliebtestes öffentliches Freibad in Hessen bewertet worden – zurecht (ohne die anderen zu kennen)!

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Freibad Nr. 1 in Hessen

5. Spielplätze in Kassel

Es gibt wirklich schöne Spielplätze in Kassel. Vor allem der Auespielplatz ist einen Ausflug wert. Schon der Weg dorthin ist toll: Parken an der Fulda, ein (teures, aber ganz leckeres) Eis beim Eismann an der Gärtnerplatzbrücke, mit Fahrrad oder Laufrad und/oder Kinderwagen über die Fuldabrücke, links herunter auf den Abenteuer- und Wasserspielplatz, der übrigens auch für Erwachsene viel zu bieten hat (wenn die Kinder einen auch mal auf die Karussells lassen). Auch gut kombinierbar mit einem Auespaziergang (eher für Eltern und Großeltern als für Kinder zu empfehlen, es sei denn, sie wollen längere Strecken Fahrrad fahren, die Aue ist nämlich ganz schön weitläufig).

Weitere schöne Spielplätze in Kassel sind z.B. der Spielplatz in der Goetheanlage mit schönem Blick auf den Herkules. Leider ist der Spielplatz oft recht voll.

Auch sehr schön und im Sommer angenehm schattig ist der Spielplatz an der Bremelbachstraße in Wahlershausen, vor allem, weil man hier direkten Zugang zum Bächlein Drusel hat und dort die Füße kühlen und Staudämme bauen kann. Zu Fuß kann man anschließend zur Wilhelmshöher Allee hoch laufen und auf ein leckeres Eis im Eiscafé Frare einkehren.

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Abenteuerspielplatz an der Drusel
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Hier lassen sich auch prima Staudämme bauen

6. Der Dörnberg

Mit knapp 600 Metern Höhe liegt der Hohe Dörnberg ungefähr gleich auf mit Kassels Wahrzeichen, dem Herkules. Besonders ist vor allem die Vegetation des im Landkreis Kassel bei Zierenberg liegenden Dörnbergs, wachsen hier doch Pflanzen wie Enziane, die sonst eher in den Alpen beheimatet sind. Die besondere Lage im Naturpark Habichtswald haben auch schon unsere Vorfahren erkannt und hier gesiedelt. Es gibt hier verschiedene Fundorte und einige Reste vorchristlicher Besiedelung sind noch zu finden. Über den Segelflugplatz lässt es sich z.B. gut zu den schön gelegenen Basaltsteinen (Helfensteinen) wandern und von dort den Blick über große Teile Nordhessens genießen und dabei den Segelfliegern zusehen. Einkehren kann man mit leckerem Kuchen und schönem Blick im Bergcafé Friedrichstein.

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Der Dörnberg
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Ein bisschen wie in den Alpen

7. Die Löwenburg

Ein Standardprogrammpunkt in Kassel ist natürlich auch ein Besuch im größten Bergpark Europas, dem Park Wilhelmshöhe, mit romantischer Löwenburg, Enten auf dem Schlossteich Lac, Waschbären in den Bäumen, Blick aufs Schloss Wilhelmshöhe, Gang über die Teufelsbrücke (wer sich traut) und das Ganze am besten noch kombinieren mit einem Besuch des Kasseler Wahrzeichens Herkules und von dort aus mit den Wasserspielen die Kaskaden zum großen Schlossteich herunterlaufen. Aber Achtung: Seitdem der Park Weltkulturerbe ist, ist es hier richtig voll geworden.

Die als romantische Burgruine im 18. Jahrhundert von Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel (später Kurfürst Wilhelm I.) als Lustschloss und Sommerresidenz erbaute Löwenburg befindet sich derzeit im Dauerbaustellenstatus (bis 2023). Besichtigen kann man Teile davon jedoch trotzdem. Die Führung ist kinderfreundlich und findet jeweils zur vollen Stunde statt. Man besichtigt die Rüstkammer und die Burgkapelle. Kaum zu glauben, wie detailverliebt der Landgraf alles hat errichten lassen. Selbst evangelisch, hat er die Kapelle original katholisch eingerichtet, da es den Protestantismus im von ihm so geliebten Mittelalter ja noch nicht gab. Die Orgel ist ein Fake. Sich selbst ließ Wilhelm auf seinem Sarkophag (er liegt hier begraben) mit rauschendem Kaiser Wilhelm Schnurrbart darstellen, den er jedoch zu Lebzeiten nie tragen durfte. Offenbar hat er gemeinsam mit seiner Geliebten Karoline und deren gemeinsamen Kindern dennoch schöne Sommer auf der Löwenburg verbracht. Nach Abschluss der aufwändigen Renovierung wird die gesamte Originaleinrichtung der Burg zu besichtigen sein. Wir freuen uns schon auf 2023.

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Schon als romantische Ruine gebaut
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Die Burgkapelle
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Auf dem Weg zur Löwenburg kommt man durch ein Wunschtor
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Heckenlabyrinth gleich neben der Löwenburg
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Mit Blick auf den Herkules

8. Ausflug zur Weidelsburg

Die größte (und dafür, dass sie seit dem 16. Jahrhundert unbewohnt und entsprechend im Verfall befindlich ist recht gut erhaltene) Burgruine Nordhessens ist von Kassel-Wilhelmshöhe aus gut in 20 Minuten zu erreichen. Sie liegt beim Dorf Ippinghausen im Waldecker Land. Vom Parkplatz aus läuft man etwa 800 Meter durch den Buchenwald bergan. Für den recht steilen Weg wird man mit am Waldrand wachsenden Himbeeren belohnt. Plötzlich, nach einer Biegung, taucht die Ruine vor uns auf. Man kann gut nachvollziehen, weshalb sich die Erbauer im 12. Jahrhundert diesen Ort ausgesucht haben (der Weg nach unten, um Wasser zu holen, war allerdings mehr als beschwerlich, der Weitblick übers Waldecker Land dafür gigantisch). Hier sind wir abgesehen von drei Wanderern ganz für uns. Die Gastronomie öffnet auch nur am Wochenende ihre Pforten. Den Turm können wir über 80 Stufen besichtigen und den Blick ins weite nordhessische Umland genießen. Hier gibt es auch Infotafeln, die gut erläutern, was wir sehen. 

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Weg durch den Habichtswald hinauf zur Weidelsburg
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Auf geht's zur Burgbesichtigung
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80 Stufen hinauf auf den Burgturm
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Der Weg hat sich gelohnt

Natürlich gibt es in Kassel noch viel mehr zu sehen und zu tun. Dafür war unsere Urlaubswoche aber zu kurz. Ein paar weitere Tipps, über die wir noch berichten werden bzw. schon berichtet haben, sind z.B.

9. Sababurg (Dornröschenschloss) und Märchenwald

Wer es romantisch mag, dem sei das Dornröschenschloss, eine angesagte Heiratslocation, und der Märchenwald empfohlen. Hier war ich schon als Kind oft. Vor einiger Zeit war ich auch mal mit den Jungs im Tierpark Sababurg. Hier gibt es einen Tierpark, eine Greifvogelstation mit Flugshows, man kann durch das weitläufige Gelände mit einer Bimmelbahn fahren, es gibt tolle Spielplätzen und im Winter einen mittelalterlichem Weihnachtsmarkt.

Am meisten beeindruckt hat unsere Jungs ein schnarchendes Wildschwein und die Falknershow. Über die Sababurg und den angrenzenden Märchenwald werden wir noch einmal gesondert berichten.

10. Das Klangmuseum in Kaufungen

Etwas außerhalb von Kassel kann man in einer alten Ziegelei allerlei Sinneseindrücke sammeln. Auch hierüber werden wir noch berichten.

11. Grimmwelt: Alles über die Brüder Grimm

Besuch der Grimmwelt und von der dortigen Dachterrasse aus unbedingt auch den Blick auf Kassels Wahrzeichen, den Herkules, genießen. Wir haben es ausprobiert und hier darüber berichtet.

Mir würde noch einiges zu Kassel und Nordhessen einfallen, aber da der Artikel nicht "37 Tipps" heißt, endet er hier.

Kommentare

Ich find Kassel hässlich :)

Jenny

Damit bist du ja in guter Gesellschaft. Auch ein Grund, weshalb wir die unserer Meinung nach schönen und interessanten Seiten Kassels zeigen.

Viele Grüße

Jenny

Da wollen wir in diesem Sommer hin! ))

Andi

Sehr gut ;-) Viel Spaß euch in Kassel!

Martina

Tolle Tipps für Kassel. Die Stadt hat einiges zu bieten und ist besser als ihr Ruf ;-)

M&S

Hallo Kölner,

Ein Besuch in Kassel lohnt sich auch m Herbst

Wilma

Hi,
Es gefällt mir sehr gut, dass ihr auch Städte vorstellt, die nicht unbedingt in der 1. Reihe stehen.
Grüße aus Jena ( lohnt sich auch)
Wilma

Tobias W.

Hallo,
durch Zufall stoße ich auf eure Seite und bin begeistert! So nett und liebevoll habe ich noch keine Vorstellung meiner Stadt und Umgebung gelesen. Wirklich besonders!
Viele Grüße aus Kassel
Tobias

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