In Fuzhou besuchen wir weitere Verwandte. Auch hier werden wir wärmstens empfangen, dinieren in besonderem Ambiente und bekommen viel Interessantes gezeigt.
Unsere Reise nach Xiamen
In der Küstenstadt im Südosten Chinas
Wenn man von chinesischen Städten spricht, dann denkt man automatisch an Peking, Shanghai oder vielleicht Hongkong. Danach hört es dann oft ganz schnell auf. Doch irgendwo müssen ja die 1,4 Milliarden Chinesen leben. Zum Beispiel in Guangzhou, Shenzhen oder Tianjin, alles Städte mit ca. 10 Millionen Einwohnern. Da kommt einem die "kleine" Küstenstadt Xiamen im Südosten des Landes mit seinen 3 Millionen Einwohnern für chinesische Verhältnisse fast schon beschaulich vor.
Xiamen liegt auf einer vorgelagerten Insel in der Provinz Fujian und ist nicht unbedingt die erste Wahl, wenn man als Tourist durch China reisen will. Dementsprechend sind wir in der Stadt eine kleine Attraktion, denn Europäer scheinen eher exotisch zu sein. Wir sind folglich ein beliebtes Fotomotiv und viele Einwohner möchten sich mit uns ablichten lassen.
In Xiamen verbringen wir eine Woche und besuchen unsere chinesische Verwandtschaft. Wahrlich ein Familienbesuch der besonderen Art, über den ich bereits vor einiger Zeit berichtet hatte. Während wir uns abends mit den chinesischen Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen ersten, zweiten und dritten Grades (ich hatte mich vorher extra schlau gemacht, wie man die familiären Verbindungen nennt) zu Abend essen, verbringen wir die Tage mit Sightseeing. Hierzu wurde für uns extra der englischsprachige und äußerst hilfsbereite Tourguide Sunny organisiert. Mit ihm zusammen und dem Busfahrer Herrn Wong sind wir also fleißig in Xiamen und Umgebung unterwegs. Und davon möchte ich in diesem Artikel berichten, denn Xiamen hat einiges zu bieten.
Hulishan Fort und Krupp-Kanone
Direkt am ersten Tag besuchen wir das Highlight Xiamens schlechthin, das Hulishan Fort. Direkt am Meer ist es nett in einem Garten gelegen. Der ganze Stolz dieses Forts und gefühlt der ganzen Stadt ist die längste Kanone der Welt. 1896 wurde sie von Krupp in Deutschland hergestellt und dann nach Xiamen transportiert. Hier im Fort wurde sie dann nicht ganz zufällig in Richtung Taiwan aufgestellt. Sie ist gute 14 Meter lang und wiegt über 60 Tonnen.
Als Deutsche müssen wir ja unheimlich stolz auf diese deutsche Kanone sein. Wir erhalten jedenfalls anerkennende Blicke der chinesischen Besucher, als diese bemerken, dass wir aus Deutschland kommen. Dabei sind wir bei Weitem nicht so aus dem Häuschen wie sie. Ja, die Begeisterung hält sich tatsächlich in Grenzen und wir erfreuen uns viel mehr an dem Spektakel, das sich vor der Kanone abspielt. Denn die Chinesen posieren hier in Scharen in allen möglichen kreativen Formationen vor diesem Monstrum aus Stahl.
Xiamen liegt in den Suptropen und entsprechend warm ist es. Da ist ein kleiner Spaziergang über das Gelände unter schattigen Bäumen und vorbei an tollen Kakteen ganz erholsam.
Nach einer Stunde trommelt uns unser Guide Sunny wieder zusammen. Es ist Zeit für das Mittagessen. Auf dem Weg zum Bus kommen wir an einem Stand vorbei, an dem frische Mangos verkauft werden. Ich war bisher kein großer Mango-Fan, aber bei diesen hier bin auch ich schwach geworden. Es gibt kaum eine leckerere Frucht als eine frische Mango aus Xiamen!
Nanputuo Tempel
Ein neuer Tag. Um 9:00 Uhr morgens werden wir von Reiseführer Sunny und Mr. Wong an unserem Hotel abgeholt. Direkt vom Frühstücksbuffet, das als “westlich” beschrieben wird, allerdings trotzdem eher asiatisch anmutet, springen wir in den grünen Reisebus. Was uns heute erwartet, wird uns nach und nach mitgeteilt.
Während der Fahrt erfahren wir, dass die erste Station heute der Nanputuo Tempel ist, ein buddhistischer Tempelkomplex, der bis in die Tang-Dynastie (618-907) zurückgeht. Hier herrscht schon am Morgen reger Betrieb, hauptsächlich chinesische Touristen sind auf dem Weg zum Haupttempel. Kein Wunder, denn der Tempel gehört zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten und Reisezielen in der Provinz Fujian.
Am Eingang wartet schon der Cousin meiner Mutter Chang Wang mit seiner Frau auf uns. Eine nette Überraschung, von der wir gar nichts wussten. Die beiden haben eine Tüte voll grüner Früchte mitgebracht, die uns nun erstmal angeboten werden - eine interessante Mischung aus Apfel und Birne und sehr lecker.
Nach dem kleinen Snack erkunden wir nun das großzügige Gelände, das am Fuß eines Berges in Richtung Meer gebaut wurde. Mehrere Hauptgebäude formieren sich um einen kleinen Innenhof mit Schrein. Dahinter führen Wege zwischen Felsen und Gärten hinauf auf den Berg. Überall findet man Pavillons, Höhlen mit zahlreichen kleinen Skulpturen und Buddha-Bildern.
Insel Gulangyu
Nach dem Tempelbesuch ist erstmal ein Mittagessen angesagt. Dieses nehmen wir in einem großzügigen Restaurant in einem riesigen Kreuzfahrtterminal zu uns. Denn gleich stechen wir in See, wie wir kurz vorher erfahren. Es geht aber nicht auf große Fahrt, sondern nach Gulangyu, eine knapp zwei Quadratkilometer große Insel direkt vor Xiamen. Die riesige Abfertigungshalle, die Sicherheitskontrollen und der Check-In lassen uns da eher was ganz anderes erwarten. In dem Terminal wird ein riesiger Aufwand betrieben, Massen von Passagieren stehen geduldig in langen Schlangen und werden nach und nach abgefertigt. Als die Fähre ihre Tore öffnet, sprinten die Menschen wie verrückt los, als ob es kein Morgen mehr geben würde. Das erinnert ein wenig an Sommerschlussverkäufe in den 80ern. Tatsächlich dauert die Fährfahrt ungefähr 15 Minuten. Was für ein Aufwand für ein bisschen Bootsfahrt.
Gulangyu erreicht man nur mit der Fähre, die in regelmäßigen Abständen fahren. Die kleine Insel ist das Erholungsgebiet der ganzen Region und wurde 2017 von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Wer sich vom alltäglichen Stress und Verkehrschaos erholen will, der ist hier genau richtig, denn die Insel ist autofrei. Und das genießen die Chinesen.
Wir spazieren die Promenade entlang und bekommen von den Verwandten erstmal eine Runde Eis bzw. Tang-hulur, kandierte Früchte am Spieß, ausgegeben. Danach geht es weiter, immer im Strom der anderen Besucher.
Während wir gerne die ruhigen Ecken der Insel erkundet hätten, werden wir von unseren chinesischen Begleitern zum vollsten Strand der Insel gebracht. Der ist zwar schön und wir lassen uns hier im Sand nieder, aber halt auch recht gut besucht. Denn Chinesen fühlen sich dort wohl, wo es allen gefällt. Wenn jemand schon dort ist, dann ist das ein gutes Zeichen und man lässt sich dort auch nieder.
Neben Stränden gibt es eine schöne Bebauung, kleine, herrschaftliche Häuser, in denen sich heute kleine Läden und Restaurants befinden.
Die Insel ist übrigens auch ein beliebter Fotospot für frisch Vermählte. Das Hochzeitsfoto vom Brautpaar ist in China eine ganz große Sache und muss möglichst gut inszeniert werden. So ist es schon ein wenig bizarr, wenn man über die Insel spaziert und alle paar Meter Hochzeitspaare in voller Montur sieht, die sich von einer ganzen Fotografen-Crew ablichten lassen.
Gegen Abend wird es etwas ruhiger. Die meisten Besucher haben die Insel bereits verlassen. Wir schlendern zurück zum Bootsanleger und fahren wieder zurück nach Xiamen, wo unser Bus bereits auf uns wartet, um uns zum Abendessen zu bringen.
Die Rundhäuser der Hakka
Ein weiter Tagesausflug steht an. Unser heutiges Ziel ist die Provinz Guangdong in den Bergen, die berühmt für die kreisrunden Häuser sind, die sogenannten Tulous. Da wir ein wenig fahren müssen, stehen wir bereits um 7 Uhr morgens bereits und steigen in den Bus. Auf dieser Tour werden wir von den beiden Cousinen Huang Hong Juan und Huang Hong Jiao (Die Namen der Geschwister haben oft den gleichen Stamm) meiner Mutter samt einem Ehemann (wir nennen ihn Huang Hong-Film, weil er uns immer filmt und wir uns seinen richtigen Namen nicht merken können) begleitet.
Über eine riesige Brücke verlassen wir Xiamen und fahren entlang der Küste an zahlreichen Hochhäusern in Richtung Süden. Die Kids spielen, die Erwachsenen dösen ein wenig vor sich hin und schauen aus den Busfenstern.
Nach einer Stunde halten wir an einem staatlichen Rastplatz. Für jeden vorbeikommenden Reisebus ist es Pflicht, hier einen Zwischenstopp einzulegen. Wir betreten eine Verkaufshalle mit vielen kleinen Ständen, an denen jeweils unterschiedliche Sorten Kaffee zum Probieren angeboten werden. Die Region ist ein großes Kaffeeanbaugebiet und dementsprechend lecker sind die angebotenen Kaffees, abhängig von der Menge hinzugebener süßer Kondensmilch.
An jedem Stand steht eine Dame mit Headset und Verstärker bereit und brabbelt ohne Unterbrechnung. Bei der Masse an Ständen ist der Lärmpegel recht hoch. Für uns allerdings vollkommen sinnlos, den wir sind die einzigen Besucher und verstehen eh kein Wort. Als wir wieder am Bus ankommen, ist uns ein wenig schlecht nach soviel leckerem, aber zu viel Kaffee. Aber es muss ja weitergehen und so hilft kein Murren, denn Mr. Wong hat bereits den Motor angelassen.
Nach dreistündiger Busfahrt kommen wir in unserem Zielort bei Yongding an. Nachteil dieser Art des Reisens und dass die Chinesen alles für uns organisieren: Wir haben keine Ahnung wo wir genau sind. Als erstes steht natürlich wieder das Mittagsessen an. Danach spazieren wir zu einem Fluss, dessen Ufer bunt geschmückt sind. Mato darf sich einen Käscher kaufen und versucht gleich, mit Hilfe der chinesischen Cousinen Fische aus dem Fluss zu fangen. Ohne Erfolg.
Wir spazieren den Fluss entlang und kommen an vielen weiteren Läden vorbei, die unter anderem selbstgemachte Kräuterzigaretten und traditionelle Strohhüte verkaufen. Hier schlagen Milan und sein Cousin Yannis direkt zu und tragen von nun an diese leicht sperrigen Kopfbedeckungen, die aber ein hervorragender Sonnenschutz sind.
Das Mittagessen liegt etwas mehr als eine Stunde zurück, höchste Zeit also, um wieder irgendwo einzukehren. Dieses Mal werden wir in den Innenhof eines Hauses geführt, wo zur Teezeremonie geladen wird. Wir setzen uns an mehrer Tische und schauen uns das Ritual an. Erst werden die Porzellantässchen mit heißem Wasser ausgewaschen und dann wird der Tee in einer ganz bestimmten Technik eingeschenkt. Wir kosten Bergtees, Jasmin- und schwarzen Tee.
Nun endlich folgt das eigentliche Highlight, wir besuchen ein Tulou Haus. Diese Rundhäuser werden traditionell von den Hakka gebaut und bewohnt und findet man in der Provinz Guangdong sehr häufig. Die Hakka sind eine Volksgruppe, die ursprünglich vom Baikalsee in Sibirien stammt und sich dann mit der Zeit in Südchina und noch weiter in Nord- und Mittelamerika und sogar in Australien angesiedelt hat.
Die Tulou Häuser bestehen aus gestampften Lehmmauern und dienten sowohl als Festung wie als Wohnhaus. Bis zu 800 Menschen konnten in solch einem Haus wohnen. Wir betreten das Haus duch ein kleines Tor und sehen von Innen mehrere Stockwerke und offene Flure, von denen man in die Wohnungen gelangt. In der Mitte des großen Innenhofs befindet sich ein Schrein. Drumherum wird allerhand gewerkelt, denn hier leben tatsächlich noch Menschen. Und die lassen sich auch von uns Touristen nicht aus der Ruhe bringen. Gerade als Mato und ich den Schrein verlassen, schnappt sich in der danebenliegenden, offenen Küche ein Bewohner eine Gans und setzt gekonnt das Messer an ihren Hals an. Sie zuckt und überall spritzt das Blut. Mato schaut etwas ungläubig und ist verwirrt. Die Gans zuckt trotz durchtrennter Kehle weiter. Ich ziehe ihn zur Seite und wähle einen anderen Weg wieder nach draußen. Jetzt müssen wir uns erstmal setzen und das gerade Gesehene besprechen und verarbeiten.
Es ist bereits Nachmittag als uns der Bus an einem Parkplatz in der Nähe wieder aufnimmt. Der Ausflug in die Berge hat uns sehr gut gefallen, denn es war schön, nach den ganzen Eindrücken in der Stadt auch einmal ländliche Regionen zu besuchen.
Die Schulstadt Jimei
Der letzte Tag in Xiamen ist angebrochen. Mit dem Bus sind wir wieder unterwegs und fahren in den Stadtteil Jimei. Hier hatte 1913 der Großindustrielle Tan Kah Kee die erste von vielen Schulen bauen lassen.
Tan Kah Kee war ein großer Wohltäter. Als junger Mann verließ er Xiamen und wanderte nach Singapur aus, wo er mit Gummi ein Vermögen machte. Immer den Blick auf die Förderung der Jugend gerichtet, gründete er zahlreiche Schulen ud finanzierte die Gründung der Universität von Xiamen.
An einem künstlichen See, auf dem Drachenbootrennen ausgetragen werden, werden wir herausgelassen, um die Gegend zu erkunden. Die Jungs haben mittelmäßige Lust und wollen lieber am See ein wenig chillen. Dabei sind die vielen Schulgebäude im chinesischen Stil sehr nett anzuschauen. Wir einigen uns darauf, dass wir eine Runde um den See drehen und dabei ein paar Gebäude und einen kleinen Park anschauen.
Skulpturenmuseum
Bevor wir zum großen Abschiedsabendessen laden und alle Verwandten aus Xiamen nochmal mit uns zusammenkommen, hält unser Bus noch vor dem Skulpturenmuseum. Jetzt haben wir aber auch wirklich alles in Xiamen gesehen (dabei gibt es noch viel mehr zu sehen)! In dem Museum wird gezeigt, was man alles aus Stein herausarbeiten kann. Angefangen von historischen Skulpturen bis hin zu Comic-Figuren. In einem Raum werden auf Steine ausgestellt, die wie Essen aussehen. Interessant ist auch der Raum für Erwachsene. Hier kann man verschiedene Schränke öffnen, in denen die alten Meister ihre Liebesphantasien in Stein gemeißelt haben.
Die Tage in Xiamen waren sehr interessant. Einerseits natürlich äußerst emotional, da wir das erste Mal unsere chinesischen Verwandten kennengelernt haben. Aber auch wegen der vielen, tollen Eindrücke, die wir auf unseren Ausflügen und Besichtigungen sammeln konnten. Jetzt heißt es erstmal Abschied nehmen von Xiamen, denn morgen geht es in die nächste Stadt. Mit dem Zug fahren nach Fuzhou, das 300 Kilometer weiter nördlich liegt. Dort wohnt eine Tante meiner Mutter mit ihrer Familie. Es geht also weiter.
Kommentare
Sehr interessant! Mir gefällt besonders der kaktusgarten.
Gruß Mira
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