Cluburlaub in der Jugendherberge
Im DJH Resort in Neuharlingersiel
Leicht genervt springe ich vom oberen Stock des Etagenbetts nach unten. Eigentlich wollte ich die halbe Stunde bis zum Abendessen für ein kleines Nickerchen nutzen. Nur einer meiner fünf Zimmernachbarn hat wohl etwas dagegen, denn er hört Nenas 99 Luftballons auf seinem Walkman in Dauerschleife. Nicht nur das Lied, das ich trotz seiner Kopfhörer mehr als gut hören kann, lässt mich nicht ruhen, vor allem das permanente Zurückspulen und Neuabspielen macht mich wahnsinnig und lässt meine wohlverdiente Ruhepause kürzer als geplant ausfallen.
Ich krempel meine Jeans ordentlich um, ziehe die Turnschuhe mit Neonschnürsenkeln an und gehe schon mal in den Essensraum. Hier wird gerade das Abendessen aufgefahren, Graubrot, Aufschnitt und Früchtetee. Der Zivi des Hauses fegt bevor es losgeht noch einmal kurz durch und wird dabei mitleidig von den ersten hungrigen Halbstarken meiner Jugendgruppe beäugt. "Zivi"... keine Ahnung wer oder was das genau sein soll, aber für uns ist das die Person, der wir während unseres Aufenthalts ständig Streiche spielen und ihr damit ziemlich auf den Keks gehen.
Nach dem Abendessen stelle ich brav wie jeder hier mein benutzes Geschirr auf dem Geschirrwagen ab, bevor sich die gesamte Gruppe im Aufenthaltsraum zum heiteren Liederabend versammelt. Nach diesem abendlichen Ritual ziehen wir Jungs uns in unseren Trakt zurück und bereiten uns in den Waschräumen auf die Nacht vor. Zähneputzen, den Mittelscheitel nachziehen und den Kollegen in der Klokabine mit Wasser bespritzen. Und dann ab auf´s Zimmer. Gleich ist Zapfenstreich und unser Gruppenleiter dreht seine abendliche Runde. Im Bett ziehe ich die kratzige Bettdecke hoch bis zum Kinn, damit mein Lieblinssweatshirt nicht zu sehen ist. Ich habe mich heute richtig rausgeputzt, denn gleich wollen sich die Mädels zu uns rüberschleichen und der Abend kann so richtig starten.
Meine letzten Besuche in einer Jugendherberge liegen schon Jahrzehnte zurück, irgendwo in den Untiefen der 80er Jahre sind sie zu finden. Ich versuche mich daran zu erinnern, während wir im Auto die Landstraße Richtung Küste fahren.
Auf unserer Tour durch Norddeutschland verbringen wir zwei Tage in Neuharlingersiel, wo wir das erste Mal seit der Jugend wieder in einer Jugendherberge wohnen werden, dieses Mal mit gut 25 Jahren mehr auf dem Buckel und mit Kindern im Schlepptau. Doch unsere Jugendherberge ist nicht einfach nur eine Jugendherberge. Es handelt sich um die erste Club-Jugendherberge der Welt, auf die wir schon sehr gespannt sind.
Wir parken unseren Wagen auf dem großen Parkplatz und betreten neugierig das Hauptgebäude. Der Eingangsbereich erinnert mit der Rezeption, einem Shop und zahlreichen Aushängen zu Programm und Aktivitäten wenig an eine Jugendherberge wie wir sie von früher kennen. Und dieser erste Eindruck wird sich immer wieder während unseres Besuchs bestätigen. Beim Check-In erklärt uns der freundliche Mitarbeiter in aller Ruhe wie hier alles funktioniert, wo es was zu finden gibt und was wir hier alles so anstellen können. Wir sind beeindruckt.
Unser helles und angenehm eingerichtetes Familienzimmer befindet sich im Hauptgebäude und besteht aus zwei Schlafzimmern, eines für die Eltern mit Doppelbett und ein Kinderzimmer mit einem Etagen- und einem Babybett. Ein kleiner Flur verbindet die Zimmer mit dem Duschbad. Dazu ein kleiner Balkon mit Blick auf den Deich. Hier lässt es sich wohnen.
Doch wir bleiben nur kurz auf dem Zimmer. Zu groß ist die Neugier und der Drang, das Gelände zu erkunden. Ursprünglich als Kurklinik geplant und genutzt, wurde die Anlage perfekt zu einem modernen Resorts umgebaut. Neben dem Hauptgebäude gibt es diverse kleinere Gebäude, die alle auf dem parkähnlichen Gelände verteilt sind und verschiedene Aktivitäten bieten. Bei dem großen Angebot versuchen wir, möglichst strukturiert vorzugehen und alles nacheinander zu besuchen.
Wir starten zunächst bei der "School of Rock", in der heute ein Musik-Workshop für Jugendliche stattfindet. Das Haus dient als Treffpunkt für Jugendliche und bietet einen Musikraum, der mit dem kompletten Band-Equipment ausgestattet ist. Gitarren, Keyboard, Verstärker, Schlagzeug, alles was das Musikerherz begehrt. Mich juckt es schon in den Fingern und zu gerne würde ich mir mal die Gitarre umhängen und ein wenig jammen, allerdings würde ich dann den Workshop komplett sprengen. Wir gehen also besser weiter.
Im gegenüberliegenden Haus befindet sich der Kaplaraum, in dem die Jungs und ich erstmal alle vorhandenen Holzsteine zu einem gigantischen Turm verarbeiten. Um uns nach diesem höchst anspruchsvollem Konstruktionsvergnügen ein wenig auszupowern, landen wir im Fitnessraum. Hier stehen allerlei Geräte für die körperliche Ertüchtigung bereit, Laufbänder, Hantelbänke, Rudermaschinen und vieles mehr. Vor allem der Boxsack hat es unseren Jungs angetan. Ich glaube, so einen brauchen wir auch für Zuhause, dann wäre es abends bei uns ruhiger.
Nun geht es auf das Außengelände, vorbei an Kettcars und Strandkörben, die als kleine Ruheoasen dienen, direkt zum Kinderhus Kunterbunt, dem Kindergarten der Clubanlage. Vor dem Gebäude gibt es ausreichend Spielgelegenheiten, Schaukeln, Rutsche, ein Piratenschiff zum Klettern und ein Slackline-Areal. Hinter dem Kinderhus befindet sich eine Bogenschießanlage, die aber nur unter Anleitung im Rahmen eines Kurses genutzt werden darf. Besser ist das.
Ebenfalls in der Nähe liegt ein Bootsanleger, an dem man Kanus ausleihen und auf dem anliegenden Kanal paddeln kann.
Wir entern aber erstmal die Bewegungshalle im Kinderhus, die mit allerlei Turngeräten und Matten ausgestattet ist.
Auch an Kleinkinder wurde übrigens gedacht. Der Kleinkinderspielraum Krabbel-Stuv mit Bällchenbad und altersgerechter Kletterburg bietet ausreichend Platz zum Krabbeln, Toben und Spielen.
Dank der Rundumversorgung können wir es uns im DJH Resort richtig gut gehen lassen und müssen uns um nichts kümmern. Im Restaurant Gezeiten werden Frühstück, Mittag- und Abendessen in Buffetform serviert. Und hier die nächste Überraschung: Verzweifelt halte ich beim Abendessen nach dem mir aus der Vergangenheit vertrauten Graubrot und Früchtetee Ausschau. Stattdessen finde ich eine reichhaltige Salatbar vor, mehrere leckere, warme Gerichte zur Auswahl, ein eigenes Kinderbuffet (heute gibt es wunderbare Hamburger), dazu Wasser, Säfte und Softdrinks. Ich bin erschüttert!
Auch den Geschirrwagen suche ich vergebens. Stattdessen räumen freundliche Kellnerinnen das Geschirr ab und reagieren ganz entspannt, wenn einem der vielen herumlaufenden Kinder mal die Essensportion auf den Boden fällt.
Neben dem Buffetrestaurant gibt es auf dem Gelände noch das Seecafé mit Bar, das Teehus Kluntje und für den Sommer einen Biergarten und einen Grillplatz.
Abends gönnen wir Eltern uns im schön angelegten Wellness-Bereich ein wenig Entspannung und genießen nacheinander eine angenehme Hot Stone Massage. Leider bleibt uns keine Zeit, um die finnische Sauna auszuprobieren oder auf den gemütlichen Liegen im "Raum der Stille" noch ein wenig zu entspannen.
Das DJH Resort liegt etwas ausserhalb des kleinen Fischerortes Neuharlingersiel. Auch wenn es uns auf der Anlage sehr gut gefällt, wollen wir natürlich auch an das Meer und den Strand. Die knapp 1,5 Kilometer fahren wir mit dem Auto und parken direkt hinter dem Deich auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz, für den Resort-Gäste eine Ermäßigung erhalten.
Wir spazieren entlang des Deichs und entdecken zwischen dem BadeWerk, einem Schwimm- und Wellnessbad, und dem Campingplatz einen schönen Spielplatz im Grünen. Nach einer kurzen Pause geht es dann endlich auf die andere Seite des Deichs. Und auch hier gibt es für die Kinder einiges zu erkunden.
Am hellen, feinkörnigen Sandstrand mit den bunten Strandkörben stellt sich schnell Nordseeromantik ein. Die Möwen kreischen, der Wind weht frisch und die Sonne scheint. Manchmal reicht es einfach, am Meer zu sein, zu entspannen und die Zeit hier zu genießen.
Wir lassen den Blick auf´s Meer schweifen und blicken dabei auf die vor der Küste liegenden Inseln Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge. Und auch den Jungs gefällt es hier gut, sie rennen am Wasser entlang und sammlen begeistert Unmengen an Muscheln und Treibgut.
Langsam spazieren wir auf dem gepflasterten Weg entlang des Wassers in Richtung Hafen. Zwischen Neuharlingersiel und der Insel Spiekeroog verkehren mehrmals am Tag Fähren, die wir vom Strand aus beobachten können. Ansonsten dient der vordere Hafen als Anlegestelle für Sportboote und den Seenotkreuzer Neuharlingersiel.
Vorbei am Anleger erreichen wir den malerischen hinteren Hafen von Neuharlingersiel. Hier erkennt man noch den ursprünglichen Fischerort. Die Krabbenkutter machen hier fest, die Fischer bringen ihren Fang an Land und hängen die Netze zum Trocknen auf. Das Hafenbecken wird gesäumt von schmucken Backsteinhäusschen, die verschiedene Fischrestaurants und Cafés beherbergen.
Vom Hafen aus starten auch täglich Fischkuttertouren vorbei an den Inseln zu den Seehundbänken im Wattenmeer. Sicherlich ein interessanter Ausflug, jedoch benötigt man hierfür schon mehrere Stunden und etwas weniger Wind und Kälte.
Die Zeit in Neuharlingersiel vergeht wie im Flug. Schön ist es hier und wir kriegen Lust, noch einmal mit etwas mehr Zeit zurückzukommen. Sooft fahren wir weit weg, um das Meer zu sehen und dabei sind uns die deutsche Nordseeküste und die Inseln weitestgehend unbekannt. Eine Tatsache, die wir schleunigst ändern müssen.
Richtig wohl gefühlt haben wir uns in den zwei Tagen im DJH Resort, eine interessante und sehr gelungene Idee, eine Jugendherberge mit den Angeboten eines kinderfreundlichen Ferienclubs zu verbinden. Leider konnten wir während unseres Aufenthalts nicht alle gebotenen Möglichkeiten und das umfangreiche Kurs- und Aktivitätenprogramm nutzen, haben aber dennoch einen guten Eindruck erhalten.
Kommentare
Ein Kapla-Raum! Wie großartig ist das denn?! Ich habe die Broschüre vom DJH Resort von der ITB mit nach Hause gebracht und sie ist hier auf regstes Interesse gestoßen. Wenn ich jetzt auch noch die Kaplasteine erwähne...
Das nenne ich eine Jugendherberge, echt cool. Meine Erinnerungen liegen auch schon ein paar Jahr(zehnt)e zurück. Da hat sich viel geändert. Tolle Bilder mit viel maritimer Stimmung. Da schlägt das Herz des Küstenkindes höher. ;-) Liebe Grüße, Ines
Jugendherberge! Wirklich? Das lag bisher jenseits unserer Vorstellung, aber der Bericht macht wirklich neugierig. Die schönen Fotos sind auch super!
Christian
Einen Kommentar schreiben
Wir freuen uns über Deinen Kommentar zu unserem Blog oder diesem Artikel.
Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du Dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch diese Website einverstanden. Mehr Infos findest Du in der Datenschutzerklärung.